Transitorische Räume werfen seit jeher eine Vielzahl von Fragen auf, die ihren ureigenen Qualitäten entspringen. Der Verkehr von Menschen, Waren und Informationen bildet einen virulenten Pool an Nachbarschaften, Kreuzungen und Überschneidungen, die diesen Raum als im Kern öffentlich und kommunikativ charakterisieren. Viele Probleme, die sich im Fokus von Mobilität und Sicherheit ergeben, sind sicher dem Aufeinandertreffen heterogenster Gruppen, Interessen und Zielsetzungen in diesem Raum geschuldet und bisher weitgehend unbefriedigend gelöst.
Will man konstruktive und nachhaltige Lösungsvorschläge für diesen Raum erarbeiten scheint es unerläßlich, die Aufmerksamkeit von den rein funkionalen Aspekten verkehrsplanerischer Perspektiven her aufzuweiten und diesen Raum als eine auch soziokulturelle Schnittstelle unterschiedlichster Protagonisten mit multiplen Interessen zu denken. Nur der Analyse dieser komplexen Nachbarschaften und Wechselwirkungen im transitorischen Gefüge eines hochverdichteten Verkehrsraumes kann eine tragfähige Entwicklungsstrategie entspringen. Die Arbeit an diesem Paradigmenwechsel wurde anhand des Offenbacher Marktplatzes nicht vom Arbeiten am Symptom her aufgenommen, sondern entlang der Analyse seiner komplexen auch städtischen wie soziopolitischen Struktur.
Lesen
Die Stadt ist in diesem Sinne nicht nur als funktionale Struktur zu lesen, sondern gleichzeitig als Spiegel gesellschaftlicher Interessen, Zustände und Verhältnisse. In dieser Perspektive erscheint die Gestaltung städtischer Verkehrsräume auch als Verräumlichung gesellschaftlicher Prozesse und ideologischer Modelle. Die Analyse eines transitorischen Raumgefüges muß also immer auch diesen Gesichtspunkt berücksichtigen und relevante Erkenntnisse bezüglich gesamtgesellschaftlicher Prozesse liefern. Stadt ist heute nicht mehr in fragmentierten Teilräumen denkbar, sondern als interaktiver Komplex heterogenster Faktoren zu betrachten. Der Verkehrsraum stellt dabei eine der wesentlichsten Schnittstellen der verschiedenen Diskurse und damit einen der aktivsten Stadträume dar. Er kann also nicht aus der isolierten Konzentration auf spezifische Fachdiskurse heraus redefiniert werden, sonder nur entlang der Erkenntnis, daß transitorische Räume weit über ihre funktionalen Bestimmungen hinaus Stadträume, also aktiv genutzte Lebensräume der Stadtgesellschaft sind und in diesem Sinne aktualisiert werden müssen.
Geschichte
Planerische Eingriffe haben in der Nachkriegszeit für die Artikulation und Verräumlichung komplexer auch soziopolitischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge ein ganz besonderes Feld vorgefunden: Die Innenstädte waren teilweise vollkommen zerstört und so frei von gewachsenen Strukturen, die normalerweise den urbanistischen wie historischen Hintergrund für aktuelle Stadtdiskurse bildeten. Städtische Planung als ein sich in Straßen, Gebäuden und Wegen artikulierender Diskurs zwischen Historizität und Aktualität hatte in gewisser Weise ein offenes Handlungsfeld vor sich. So war die einmalige Chance gegeben, die Stadt, ihre Infrastruktur und mobile Handlungsfähigkeit gepaart mit ihrer Selbstartikulation in einem großen Entwurf neu zu denken und zukunftstauglich zu inszenieren. So liest sich ein Platz wie de Offenbacher Marktplatz in seiner Geschichte, die von den Studenten präzise recherchiert wurde, um zunächst den Kontext des eigenen Handelns zu definieren, wie ein Fallbeispiel deutscher Nachkriegsplanungen: der wechselhafte Prozeß und die sich mit der Zeit verschiebenden Perspektiven auf einen innerstädtischen Verkehrsplatz spiegeln sich heute in einem Patchwork von Relikten der kurzen, aber heftigen Epochen, die in den letzten 60 Jahren über ihn hinweggegangen sind.
Bemerkenswert sind in dieser Hinsicht natürlich die Vorschläge, die in den 60er Jahren dort in Beton gegossen wurden: es realisierte sich ein vordergründig der Verkehrsentflechtung geschuldeter Entwurf, der im Subtext die Stadtlandschaft als Bild kommunikativer Prozesse aktualisierte und sich als Prognose der zukünftigen Stadtgesellschaft verstand: in einer großen Geste wurden Personenpassagen und automobiler Verkehr entknüpft und zwischen den Gebäuden metropolitan übereinander inszeniert. Die Verspannungen der B-Ebene bildeten als architektonisches Gerüst ein markantes optisches wie technokratisches Symbol für die netzwerkartige Organiation der neuen Stadt wie auch in der Umkehrung dieses Blickes ein Zeichen nach Außen: die Stadt als lokaler, mobiler Knotenpunkt interaktiver, regionaler Kommunikation entwarf die Mobilität als zentralen Zukunftsfokus. Von der städtischen Ebene, die nun über dem regionalen Verkehr schwebte, eröffnete sich der Blick in eine mobile, global vernetzte Zukunft der Stadt als Metropole, in der Geschwindigkeit, Weite und Flexibilität in einen dynamischen urbanistischen Kanon münden sollten.
Lernen
Auch wenn man den Entwurf von heute aus als gescheitert betrachten darf, ist ihm gewisser Respekt zu schulden. Er nutzte zumindest die Chance, die Stadt aus einer zentralen Perspektive klar und in gewissen Teilen konsequent neu zu beschreiben, die man heute schlechtestenfalls als totalitär, bestenfalls aber auch als sozial und gesellschaftsbildend denken könnte. Die Organisation der Innenstadt als einem Ort, der der Stadtgesellschaft geschuldet ist, die sich flanierend und ohne Störung (durch Autoverkehr) über "ihre Plätze" bewegt, entbehrt nicht einem sozialen Aspekt, der sich auch darin wiederspiegelt, daß innerstädtisches Wohnen durch große, in die Gesamtplanung integrierte Wohnanlagen für alle Bevölkerungsschichten ermöglicht wurde. Die Stadt wurde hier parallel als Verkehrsknotenpunkt wie auch als gesellschaftlicher Schmelztiegel gedacht, die Innenstadt wieder als Aufenthaltsort und Zentrum des Lebens definiert: wo sich heute in rein ökonomisch strukturieten Innenstädten wie Frankfurt nachts zwischen leeren Bürotürmen kein Mensch mehr verirrt und das komplette Fehlen von sozialer Kontrolle ein bedrohliches Vakuum gesellschaftlicher Präsenz erzeugt, sollte dem Entwurf der 60er zufolge das städtische Leben zwischen Wohnen, Arbeit und Konsum stattfinden.
Scheitern
Bei allen Problemen, die solch eine dem Brutalismus verwandte Gestaltung, die sicher auch an der Inkonsequenz ihrer Ausführung gescheitert ist, aufgeworfen hat, ist sie doch heute als Studienbeispiel von Bedeutung. Die Verwirrung, die sie durch das Scheitern ihrer Totalität hinterlassen hat, artikuliert sich noch heute deutlich im diffusen Erscheinungsbild des Platzes. Heute bestimmen augenscheinlich Hunderte von unzusammenhängenden, fragmentierten Einzeleingriffen das Bild des Platzes. Unentschiedenheit und Kleinteiligkeit empfangen heute den Stadtbesucher mit einer nahezu konfusen Situation. Die Gesellschaft - liest man den Platz in dieser Perspektive - befindet sich in einem Stadium der Auflösung in individuelle Einzelinteressen, anstatt gemeinsam den Text ihrer Stadt zu entwickeln. So wird die in Verruf geratene Konzeption der 60-er Jahre den Einzelinteressen neuer Investoren entsprechend zurückgebaut, ohne dabei die verkehrs- und erschliessungstechnischen Folgen zu beachten. Restelemente, die aus bautechnischen Gründen aktuell nicht beseitigt werden können, entwickeln merkwürdige Eigendynamiken für sich selbst und den ganzen Platz. Es entstehen ungewollte Terrassensituationen, Angst- und Toträume auch dadurch, daß Bauwerke da enstehen, wo sie der verkehrstechnischen Notwendigkeit entspringen, anstatt planerisch entwickelt zu werden. Unzählige verfahrene Situationen konfrontieren die Planung mit Aufgaben, die nur in einer komplexen Überarbeitung der Gesamtsituation gelöst werden könnten, was augenscheinlich aktuell unmöglich ist.
Fragen
In dieser emotional ungeklärten Situation entwirft der Platz heute einen komplexen Fragenkatalog, der nicht nur lokal die Stadt Offenbach beschäftigen muss, sondern national zu sehen ist: - Wie kann man aus den historischen Konzepten trotz ihres Scheiterns positive Momente ableiten, anstatt sie einfach zu überschreiben? - Wie entkommt man einer solchen Dialektik der Stadtplanung und beginnt, Erkenntnisse aus historischen Eingriffen in einen aktuellen urbanen Dialog einzuarbeiten? - Kann sich eine Stadt als Verräumlichung eines aktiven gesellschaftlichen Diskurses entwickeln, der die Flexibiliät transitorischer Räume zum Beispiel hat? - Müssen sich weitreichende Entwürfe in auf Ewigkeit angelegten Realisierungen ereignen oder sind hier temporäre und flexible Konzepte gefragt? - Wie könnten gestalterische Strategien aussehen, die in der Lage sind, sich stetig selbst zu aktualisieren? - Wird die Eigendynamik und soziale Komplexität transitorischer Räume in planerischen und gestalterischen Denkprozessen ernsthaft reflektiert
Antworten
Aus diesen kozeptuellen Fragen entwickelten die Studenten nach einer eingehenden Recherche des historischen, soziopolitischen und verkehrstechnischen Kontexts praktische und strukturelle Handlungsanweisungen, die sie als selbstgenerierten Desingauftrag wahrnahmen.
Empfangen
Sonja Ackermann reagiert auf die offene Frage, wie die Stadt hier an ihrem wichtigsten Verkehrsknotenpunkt, der durch die Verlagerung des S-Bahnverkehrs auch zum eigentlichen "Hauptbahnhof" geworden ist, ihre Besucher und die Passanten empfängt. Dort, wo heute täglich ca. 30.000 Menschen aus der S-Bahn heraus in eine vollkommen unbestimmte Platzsituation gespült werden, bietet sie eine Alternative zur reinen Passage an: "Plan B" führt den Besucher anhand eines von ihm schnell rezipierbaren Zeichensystems auf neuen und unbekannten thematischen Wegen in die Stadt und über den Platz. Folgt man den verschiedenen angebotenen Routen lernt man ihn als Aufenthaltsort, als Einkaufsstraße, aber auch als Angstraum, als Ort des urbanen Schlenderns oder als nahezu komplett kameraüberwachte Zone kennen. Die Entscheidung für den "sicheren" Weg oder die Passage im unsichtbaren Schattenbereich der Kameras bleibt einem selbst überlassen. "Plan B" offenbart so einen neuen Blick auf den Platz in seinen äußerst heterogenen Qualitäten, die bisher im Dunkeln lagen und generiert diese Perspektiven als Denkanstöße für touristische wie auch planerische Konzepte.
Kreuzungen
Wo "Plan B" wie eine Grundlagenstudie die unbeachteten Strukturen des Platzes sichtbar macht, artikuliert das Projekt "Offenbacher Kreuzungen" von Golbarg Tavakolian und Sebastian Herkner den Verkehrsplatz als soziokulturelle Schnittstelle. In einer Stadt wie Offenbach, die mit einem der höchsten Ausländeranteile in Deutschland aus dem Verkehrsplatz ein Parkett internationaler Begegnungen macht, versucht das Projekt diese oft auch problematische Situation zu nutzen und ein Engagement verschiedener Interessensgruppen am Platz zu erreichen. Der Platz offenbart anhand seiner Gestaltung diese multikulturelle Vielfalt nicht nur als Chance sondern lädt als Treffpunkt zum gemeinsamen Handeln ein.
Dabei involviert das Projekt auch eines der Hauptprobleme von transitorischen Räumen: der Passagenraum produziert als reiner Verkehrsraum kein bleibendes, auf ihn selbst gerichtetes Interesse bei seinen Protagonisten. Er liegt so außerhalb normaler sozialer Verantwortungsschemata, die für die Sicherung öffentlicher Räume wesentlich erscheinen. Wo die Shoppingmall von den Interessen der Ladeninhaber geschützt und das Trottoire vom anwohnenden Bürger kontrolliert wird bleibt der Interimsraum - ob Verkehrsplatz, Autobahn oder Fußgängerbrücke - immer belanglos für den, der ihn nur kurz durchquert. Der programmierte Verfall dieser Räume bildet für den Bürger ein latentes Bedrohungspotential.
Die "Offenbacher Kreuzungen" versuchen durch ihren Eingriff hier eine in der Stadt fehlende Nutzung als Treffpunkt internationaler Gruppen zu etablieren und von diesen eine Identifikation mit dem Platz herzustellen, die hier im positiven Sinne eine Aufwertung durch die Übernahme von sozialer Verantwortung nach sich ziehen könnte. Der sonst unbeliebte Durchgangsraum wird zum Treffpunkt und Aufenthaltsort, für den seine latenten Nutzer Sorge tragen.
Brücken
Auch zeigt sich anhand des Projekts, daß man auch in der Planung weiterhin einem Trugschluß unterliegt: die Straße wird lediglich als Transitraum gelesen, anstatt als städtischer Raum anerkannt und in diesem Sinne in das städtischen Sozialmuster eingearbeitet zu werden. Sie wird weiterhin als pragmatische Verbindung zwischen zwei Orten gesehen, obwohl sie sich ständig zum Aufenthaltsraum kehrt. In dem Moment, wo sich das Interesse des Passanten weg vom Transit auf die Straße als Ort richtet, entwickelt sich eine soziale Interaktion, die nicht vorgesehen und städtisch nicht verräumlicht ist. Es erscheint deshalb unumgänglich, in die Verkehrsführung Orte einzuweben, die weder dem Transit gewidmet sind noch rein ökonomischen Zwecken dienen.
Das Projekt "Citygarden" bietet hier einen innerstädtischen Park der besonderen Art an: auf einem problematischen Reststück der ursprünglichen Brückenarchitektur etabliert es im Kontrast zur städtischen Betonarchitektur einen temporären Garten zur innerstädtischen Erholung und Überbrückung von Wartesituationen. Dabei werden verschiedene Problematiken positiv gewendet: die als Tot- und Angstraum aus dem partiellen Rückbau entstandene Terrassensituation wird umgeschrieben in eine dem virulenten Treiben des Verkehrsplatzes entrückte Szenerie der Erholung und des stadtlandschaftlichen Rundblicks.
Gleichzeitig liefert das Projekt einen konstruktiven Vorschlag zum Umgang mit Restbeständen disfunktionabeler Stadtentwicklungskonzepte, die aktuell nicht zu beseitigen sind. Der Vorschlag eignet sich sowohl zur temporären Überbrückung solcher Situationen wie auch zur Reintegration historischer Fragmente in den aktuellen Stadtplanungsdiskurs.
Hier werden also weit über das konkrete Projekt hinaus Fragen thematisiert, die im Erscheinungsbild von Städten ständig akut sind: Ist Stadtraum eine einmalig festzuschreibende Form, die sich stets in Beton und für die Ewigkeit gegossen artikulieren muß oder ist er eine vitale, von der Stadtgesellschaft jeweils neu zu verhandelnde Größe, die sich auf flexiblere und temporäre Artikulationsformen einrichten sollte?
Warten
Gerade im Umgang mit den sich ständig aufwerfenden zeitlichen Zwischenräumen und nutzungsfreien Nischen des Wartens, die sich in den multiplen Umsteigesituationen auf einem hochverdichteten Verkehrsplatz ergeben, zeigt sich Verkehrsplanung eher steif und einfallslos. Wartesituationen geraten dadurch oft zum Konfliktpotential, wobei sich hier angebotene Lösungen schnell verbrauchen. Temporär angelegte Eingriffe und Architekturen wie die Vorschläge von Olga Ciura und Anja Wresczinska, aber auch der "Treffpunkt" von Barbara Laatscha versuchen hier eine Klimaverbesserung durch unkomplizierte Eingriffe, die sich selbst stets verändern und leicht aktualisieren lassen.
Sichern
Natürlich werfen sich auch Handlungen und Räume auf, deren Sicherheitsbedürfnis nach konsequenten und dauerhaften Lösungen fragt, die aber nichtsdestotrotz zur Debatte gestellt werden müssen. Neben dem genialen Entwurf zum Geldautomaten "Obulus" von Nicola Burggraf, der sich mit der weiterhin unangenehmen Situation vormals höchst privater und nun im Zuge der Automatisierung von Dienstleistungen radikal veröffentlichter Tätigkeiten wie der Erledigung von Bankgeschäften in vollkommen unsicheren Angsträumen beschäftigt, wagten sich Igor Dubjago und Mykhaylo Falkowych mit ihrem Produkt "Svetofor" an ein Heiligtum des Verkehrsraumes, dessen Überarbeitung schon lange ansteht: der Stadtraum ist überfüllt von öffentlichen und verkehrstechnischen Handlungsanweisungen in Form von Schildern und Ampelanlagen, die das selbstverantwortliche Tun der Verkehrsteilnehmer in einen Bereich nahe Null sinken läßt. Neueren Studien zufolge folgt auf diese komplette Unterforderung des eigenständigen Denkens im Verkehr oft die Unfähigkeit, mit der kleinsten unklaren Situation umzugehen.
Das Zeichensystem "Svetofor" setzt dagegen wieder auf die Übernahme von Verantwortung durch den Protagonisten im Verkehrsraum, der dadurch wieder zum Verkehrsteilnehmer wird. Diese Teilnahme ersetzt die Überregulierung dieses Raumes und befreit ihn analog von seiner inflationären Möblierung. Ganz im Zeichen der Naked- Roads- Theorie leistet das neue System einen Beitrag zum Rückbau des immensen Schilderwaldes wie auch der penetranten Handlungsanweisungen zugunsten eines eigenverantwortlichen Handelns und der Übernahme von Verantwortung im öffentlichen Stadtraum.
Schliessen
Der Verkehrsraum muß also gleichsam aus der Selbstverantwortung heraus wieder als Stadtraum und nicht als reine Passage erkannt, entwickelt und aufgebaut werden, als ein Raum gesellschaftlicher Interaktion also, der Identifikationsmöglichkeiten für seine auffällig heterogene Klientel bietet und der von allen als Raum der Stadtgemeinschaft erkannt und selbstverantwortlich organisiert wird. Monopolisierte Nutungsschemata wie rein kommerziell und konsumlastig ausgerichtete Handlungsräume entsprechen nicht der Komplexität sozialer Realitäten in diesem Raum. Sie reduzieren ihn künstlich und produzieren durch Ausschlüsse eher Konfliktpotentiale denn synergetische Momente. Nur wenn sich ein vitales und ausbalanciertes Raumgefüge herstellen läßt, kann dieser Raum Sicherheit bei höchstmöglicher Mobilität für seine Nutzer produzieren. Dazu müssen alle gesellschaftlichen Gruppen und Belange in diesem berücksichtigt und repräsentiert werden und in einen Entwurf münden, der historische, soziopolitische wie auch verkehrstechnische Aspekte vereint, wie ihn Michael Palm versucht hat. Im Resümee der studentischen Investigationen scheint die Analyse wirklich aller Interessengruppen und die Zuordnung bestimmter Raumsequenzen zu diesen als entscheidend. Gefahren- und Konfliktpotential im transitorischen Raumgefüge des Verkehrs entsteht im Wesentlichen aus mangelnder sozialer Verantwortung seiner Akteure wie auch seiner Gestalter, aus der schlechten Choregrafie seiner multiplen Sequenzen und Handlungsräume und der Verdrängung einzelner Gruppen aus diesen, die sich - dann als Außenseiter - dort trotzdem wiederfinden.
Die daraus abzuleitende und notwendige Redefinition des Verkehrsraums als realem Stadtraum kann nur aus einer Interaktion aller beteiligten gesellschaftlichen Gruppen entwickelt werden. Seine fluktuierende Komplexität bietet die einmalige Möglichkeit, die heterogene Realität unserer Gesellschaft zu erkennen: denn in ihm bewegen sich alle - und wirklich alle - Protagonisten dieser und überschneiden ihre jeweiligen Diskurse in ihm. Wenn es gelingt, diesen Raum als aktiven Stadtraum zu etablieren, zeigt er sich beispielhaft für alle gesellschaftlichen Interaktionen und funktioniert als Raum, der sich ständig neu generiert und entlang aktueller Fragestellungen selbst aktualisiert.